04August
2001

Auf der Heeresstrasse nach Kazbegi

Am Vormittag ein kurzer Besuch in einem Internetcafé, um den Zuhausegebliebenen von unserer bisherigen Reise zu berichten, anschliessend erneutes Packen für die Kasbek-Tour. Am Nachmittag holt uns unser Bergführer Gia ab und gemeinsam fahren wir auf der historischen Heeresstrasse, die schon seit Jahrtausenden von Soldaten und Händlern genutzt wird und zeitweise den Eindruck vermittelt, als wäre sie seit der ersten Begehung nie mehr saniert worden, Richtung Norden.

In der Nähe von Gudauri, dem Wintersportort Georgiens mit einem Sporthotel, das genau so gut im Tirol stehen könnte, machen wir Pause. Gudauri ist Gias Arbeitsort während der Heliskiing-Saison, er kennt dadurch einige Haslitaler-Bergführer und über diese Verbindung sind wir auch auf ihn gestossen. Zudem erfahren wir, dass seine Frau hochschwanger ist und jederzeit ihr zweites Kind zur Welt bringen kann, was eine gewisse Nervosität seinerseits zur Folge hat. Er wird aber rechtzeitig zur Geburt zurück sein.

Nach der Pause fahren wir weiter über den Kreuzpass bis Kazbegi, einem Städtchen nahe der russischen Grenze, wo wir uns in einer einfachen Pension einquartieren.


Oben: Impressionen von der Heeresstrasse mit unserem Restaurant in der Nähe von Gudauri. Unten: Unser Ziel, der Kasbek (5047m), ein erloschener Vulkan, der schon in der griechischen Mythologie eine Rolle gespielt haben soll. Links davon die Gergetier Dreifaltigkeitskirche, die das Cover ungefähr jedes einzelnen Georgien-Reiseführers ziert.

Nachfolgend noch ein Auszug aus meinem vormittäglichen Mail mit einem Rückblick auf unsere bisherigen Georgien-Erfahrungen und der Begründung, warum ich Georgien als Land der Gegensätze betitelt habe:
Sehr gegensätzlich ist schon nur das Land selbst. Schönste Strände am Schwarzen Meer und zahlreiche Vier- und Fünftausender im Kaukasus, fruchtbare Gegenden im ganzen Land und wüsten-/steppenähnliche Gegenden im Südosten, gebirgige Waldlandschaften (die ans Hasli erinnern) im Norden und eher tropisch anmutende, endlos grosse Wälder im Osten.
Auch die vielbesungene georgische Gastfreundschaft ist voller Gegensätze. In der Öffentlichkeit wird gerempelt; sowohl zu Fuss als auch im Strassenverkehr gilt das Recht des Stärkeren, man schreit sich lieber an statt sich zu grüssen. Ist man aber bei einer Familie zu Gast, ist alles wie verwandelt. Es wird alles getan, damit es dem Gast gut geht, die Frau stellt sich in die Küche und die Männer setzen sich mit dir an den Tisch und das Gelage geht los.
Ebenso herrschen zwischen dem öffentlichen und privaten Leben grosse Unterschiede. Alles Eigene, das Haus, das Auto, ist heilig, dazu wird geschaut, geputzt, verbessert und verschönert. Für die öffentliche Infrastruktur scheint jedoch niemand verantwortlich zu sein. Schachtdeckel, Strassenlampen, Stromleitungen - kaputt ist kaputt, geflickt wird nichts.
Sehr gegensätzlich ist auch das Modebewusstsein: während sich die Frauen auch mit bescheidenen Mitteln herausputzen und sehr eitel sind - will man eine Gastfamilie fotografieren, rennt die sechsjährige Tochter genauso vor den Spiegel wie die 80jährige Babuschka - trägt der Mann meist abgetragene Trainerhosen und verschwitzte Hemden. Übrigens wiegt der durchschnittliche Georgier so um die 120 Kilo, was insbesondere bei Polizisten am Strassenrand sehr ästhetisch wirkt, wenn deren Wampe zwischen Hosen und Hemd heraushängt.