14Juli
2001

Fahrt ans Schwarze Meer

Nach einer Woche Untätigkeit ist es an der Zeit, dass wir wieder etwas unternehmen. Um neun Uhr startet Monika den Pajero Richtung Westen, wir wollen endlich ans Schwarze Meer. Für die Georgier muss es komisch aussehen: eine Frau am Steuer und zwei Männer als Beifahrer. Aber aus versicherungstechnischen Gründen geht das nicht anders.

Von Monika erfahren wir unterwegs viel über Georgien. Schliesslich leben sie und Markus nun schon fast drei Jahre hier, sprechen gut Russisch und auch etwas Georgisch (das sogar ein eigenes Alphabet hat) und kennen Land und Leute. Was sie uns aber auch nicht erklären kann ist, warum in einem Ort auf rund hundert Meter Länge ein Backofen neben dem anderen steht und frisch gebackenes Brot verkauft wird, im nächsten ausschliesslich Chatschapuri, im dritten Hängematten, im vierten Töpferwaren und im fünften Mineralwasser. Das fehlende marktwirtschaftliche Denken scheint eine breitere Produktpalette je Dorf zu verhindern.

O-Ton Monika: «Das georgische Alphabet ist ganz einfach, man schreibt alles so wie man es sagt.» Klar, sieht man ja auf dem Ortsschild im linken Bild. Rechts: Brotbacken geht auch in alten Ölfässern.

Unsere Aufmerksamkeit erregen auch zahlreiche gigantische Industrieruinen aus der Sowjetzeit, welche die Gegend verwüsten und sicher auch ökologischen Schaden anrichten. Für den georgischen Markt sind diese Anlagen x-fach überdimensioniert und waren bestimmt schon vor der Unabhängigkeit vor knapp zehn Jahren veraltet. Jetzt rosten sie friedlich vor sich hin.

Sowjetische Erbstücke

Ein Toilettenhalt kurz nach dem Scheiteltunnel, der die Wasserscheide vom Kaspischen zum Schwarzen Meer markiert, entwickelt sich zu einer kleinen Fressorgie mit Chatschapuri und Schaschlik (Spiesschen). Essen ist wirklich eines der zentralen Themen unseres Georgienaufenthaltes und wenn wir so weitermachen, werden wir noch zum typischen Georgier, der so um die 120 kg auf die Waage bringen dürfte.

In Kobuleti, dem Ferienort am Schwarzen Meer, suchen wir eine Bleibe, was gar nicht so einfach ist. Wir finden eine einzige angeschriebene Pension, die uns aber nicht passt. Durch fragen entdecken wir ein nagelneues Hotel direkt am Meer, wo wir eine ganze Etage für uns alleine haben. Warum das Hotel nicht angeschrieben und keine Wegweiser hinführen, finden wir später heraus: Unternehmen werden vom Staat so stark geschröpft, dass die meisten Geschäfte schwarz über die Bühne gehen. Zudem gibt es zahlreiche mafiaähnliche Organisationen, die irgendwie mitnaschen wollen (Schutzgelder, etc.). Das Hotel ist als Privathaus deklariert, die Gäste finden durch Mund-zu-Mund-Propaganda hin.

Unser Hotel und der kitschige Sonnenuntergang, mutmasslich namensgebend für das Schwarze Meer

Den Rest des Tages verbringen wir am Strand - endlich sind wir am Schwarzen Meer! Eigentlich hätten wir das vor fast zehn Tagen nach unserem Ankara-Abstecher schon auf der türkischen Seite erreichen sollen, aber eben…

Nach einem kitschig/schönen Sonnenuntergang genehmigen wir uns ein kleines Nachtessen und ein paar Bier in einer Strandbar mit Live-Musik. Soso, der etwa 25jähriger Sohn der Wirtefamilie, begleitet uns und wir laden ihn zu einem Bier ein. Wir machen Prost und trinken einen Schluck. Soso schaut uns fragend an und wendet sich an Monika. «Auf was wir den anstossen?», übersetzt sie uns. Natürlich, einfach so Gaumardschoss und dann einen Schluck nehmen, geht natürlich nicht! Es muss auf etwas getrunken werden. Monika empfiehlt uns, auf die Freundschaft zu trinken, das mache sich immer gut!