17August
2001

Aşgabat

Als erstes gehen wir zum Bahnhof und kaufen Tickets für die Weiterfahrt. Weil wir so viel Gepäck haben und die Billette so gut wie nichts kosten, wollen wir vier Plätze für drei Personen buchen. Das übersteigt das Vorstellungsvermögen des Schalterbeamten und nur dank der Hilfe von Mergen, mit dem sich Thiller in der Warteschlange angefreundet hat und der behauptet, das vierte Ticket sei für ihn, klappt es auch.

Danach besuchen wir die monumentale Parkanlage im Stadtzentrum und staunen über die endlosen Bewässerungsanlagen, die den Park mitten in der Wüste grün halten. Dort steht auch der 75 Meter hohe Neutralitätsturm mit einer zwölf Meter hohen goldenen Statue von Präsident Saparmyrat Turkmenbashi oben drauf, die sich immer der Sonne nach dreht. Von der Plattform dieses Towers aus hat man eine einzigartige Aussicht über die gesamte Anlage, auf das Earthquake Memorial (erinnert an ein verheerendes Erdbeben von 1948 mit über 100’000 Toten) und andere Statuen, Gebäude und Plätze.

Der Neutralitätsturm mit Statue und der Blick von dessen Plattform in den surreal wirkenden Park; rechts am unteren Bildrand das Earthquake Memorial.

Nachmittags sind wir wieder beim Bahnhof und nehmen Platz in unserem Zugsabteil neben einer sympathischen Familie. Durchs Fenster beobachte ich das farbenfrohe Treiben am Bahnhof und entscheide mich, noch einmal rauszugehen und ein Foto davon zu knipsen. Zur besseren Übersicht steige ich auf einen Sockel, hebe meine Kamera und … da höre ich jemanden schreien. Ein Mann kommt wild gestikulierend auf mich zu und in dem Moment macht es Klick bei mir (nicht in der Kamera): Bahnhöfe sind militärstrategisch hochsensible Objekte, die man nicht fotografieren darf. Blöder Anfängerfehler, davor wir in jedem Reiseführer gewarnt. Der Mann reisst an mir und meiner Kamera rum und schreit etwas von Polizei, ich schüttle ihn aber ab und gehe von ihm verfolgt zurück in unseren Wagen. Dort fassen die anderen Reisenden schnell auf wo das Problem liegt, reden auf den hyperventilierenden Denunzianten ein und drängen ihn wieder hinaus. Kurz nachdem der Zug losgefahren ist, stehen zwei Bahnpolizisten bei uns und deuten uns, mitzukommen. Thiller geht vor und ich schaffe es gerade noch, heimlich den Film zu wechseln und einen leeren einzulegen. In einem Kämmerchen werden wir befragt und nach einiger Zeit, unterstützt durch einen Grossteil unseres Restvorrates an Zigaretten und Stumpen, können wir die Polizisten davon überzeugen, dass ich tatsächlich kein Foto gemacht habe und retten sogar auch noch den leeren Film.

Zurück am Platz drängt sich der halbe Wagen zu uns ins Abteil für Gespräche, Bilder, Backgammon, Heiratsanträge und gemeinsames Essen. Wir bereuen, dass wir keine Postkarten und Fotos aus der Schweiz mitgenommen haben, denn die Leute wollen natürlich wissen, wie wir leben, wie unsere Heimat, Häuser, Autos, Verwandten, etc. aussehen - und warum wir in dem Alter noch nicht verheiratet sind…

Da sich die Sitze hochklappen lassen und darin unser Gepäck locker Platz hat (mitteleuropäische Zugbauer könnten etwas lernen), übergeben wir unseren vierten Platz an den Familienvater, was dieser dankbar annimmt. Alles in allem ein unvergessliches Erlebnis!