Berichte von 06/2001

27Juni
2001

Und los geht’s…!

Um halb vier in der Früh reisst uns der Wecker aus dem Tiefschlaf. Nach einem kurzen Frühstück starten wir den vollgepackten Eggitraktor und fahren via Sustenpass Richtung Süden. Endlich geht’s los, wir sind gespannt auf unseren dreimonatigen Trip in den Kaukasus und nach Zentralasien. Thiller, ein Kollege aus alter Pfadizeit (mit bürgerlichem Namen Michael) und ich wollen mit dem Auto über Italien, Griechenland und die Türkei nach Georgien fahren, wo wir ein paar Wochen bleiben und unseren Kollegen Markus und seine Frau Monika besuchen. Ein weiteres Ziel ist Kirgistan. Dort lebt und arbeitet Kurt, ein ehemaliger Studienkollege von mir, mit seiner Familie.

Die Idee dieser Reise haben wir schon seit mindestens zwei Jahren. Dass wir aber mit dem Auto fahren, kann im wahrsten Sinne des Wortes als Schnapsidee bezeichnet werden, die auf einer Roverreise nach Korsika im letzten Herbst entstanden ist und sich erst in den letzten Monaten konkretisiert hat. Ob wir wirklich bis Kirgistan mit dem Auto fahren, ist noch offen. Das hängt hauptsächlich von dessen Zustand und unseren Erfahrungen mit Strassen, Polizei und Zoll ab. Zudem fehlen uns dazu noch ein paar Visa.

Vielleicht noch ein paar Worte zu unserem Auto: der legendäre Eggitraktor, Thillers elfjähriger Golf-Diesel, hat bereits über 200’000 Kilometer auf dem Buckel. Vor zwei Wochen gab es einen kleinen Zwischenfall und Thiller hatte einiges an Carosseriearbeiten zu leisten. Zudem macht die Zylinderkopfdichtung Sorgen, aber bis Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, schaffen wir es. Garantiert!

Thiller mit dem Eggitraktor im Hafen von Ancona

Unsere Reisevorbereitung hat sich hauptsächlich auf die Lektüre von Reiseführern, der Vervollständigung unserer Ausrüstung, der Visa-Beschaffung und der Reservation der Fähre für heute Abend beschränkt. Thiller hat zudem einige Russischlektionen an der Migros-Clubschule genossen und ich bin ein paar Mal auf einem Pferd gesessen. Zentralasien ohne Reiten würde gar nicht gehen, hat Thiller gemeint - mir graut jetzt schon davor.

Ich bin bereits am Vorabend nach Innertkirchen zu Thiller gefahren, damit wir heute zeitig losfahren können. Über Chiasso, Milano und Bologna fahren wir, mit einem kurzen Tank- und Pizzastop, nach Ancona, wo wir auf die Fähre nach Igoumenitsa verladen. Bei Gyros, Bier und dem salzhaltigen Fahrtwind kommt endlich Ferienstimmung auf. Wir sind ziemlich müde. Zum Schlafen rollen wir unsere Mätteli auf dem Oberdeck an einem windgeschützten Platz aus.

28Juni
2001

Quer durch Griechenland

Um fünf Uhr Ortszeit legen wir in Igoumenitsa (Griechenland) an und fahren durch kurvenreiches Gebiet entlang der albanischen Grenze Richtung Thessaloniki. Am frühen Nachmittag treffen wir auf einem Camping in Paralia ein, wo wir am Fusse des Olymp unser Zelt aufstellen. Danach stürzen wir uns ein erstes Mal ins Meer, doch der Spass wird uns durch ein Rudel höllisch brennende Quallen verdorben.

Sonnenaufgang in der Nähe von Igoumenitsa und die kurvenreiche Route quer durch Nord-Griechenland

Im Städtchen decken wir uns mit Lebensmitteln ein und setzen uns in eine gemütliche Strandbar. Dort machen wir uns Gedanken über die spätere Weiterreise von Georgien nach Kirgistan und wir entschliessen uns, es mit dem Auto durch Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan zu riskieren. Das fehlende Visa für Aserbaidschan würden wir in Georgien bekommen, dasjenige für Turkmenistan in der Türkei. Dafür brauchen wir aber die Einladung eines turkmenischen Reisebüros, die wir uns am nächsten Tag beschaffen wollen.

Da wir übers Wochenende auf dem turkmenischen Konsulat in Istanbul sowieso nichts erreichen würden, beschliessen wir, noch ein paar Tage auf diesem Camping zu bleiben. So können wir uns auch langsam an das immer wärmere Klima gewöhnen - und die griechische Küche geniessen.

Für diesen Trip habe ich mir übrigens eine neue Kamera zugelegt, eine kompakte Spiegelreflex von Minolta mit APS, dem modernen Advanced Photo System. Von einer digitalen Kamera ist mir abgeraten worden, denn die digitale Fotografie würde sich nie durchsetzen… Wie advanced das System aber wirklich war, zeigt die Tatsache, dass sowohl APS wie auch Minolta kurze Zeit später vom Markt verschwunden sind. Und daran, dass Thillers Fotos mit seiner uralten, kompakten Kamera viel besser geworden sind als meine.

Der Olymp (2918m) mit seinen vier Gipfeln

29Juni
2001

Paralia und Katerini

Endlich mal ausschlafen, denn immerhin haben wir ja auch so etwas wie Ferien! Thiller kommt vom WC zurück und macht eine Bemerkung über die blöden Steh-WC’s - es sollen für die nächsten drei Monate nicht die letzten sein.

Da wir dann auch noch im Stehen frühstücken müssen - einen Klapptisch haben wir dabei, jedoch keine Stühle - beschliessen wir, dieses Problem zu lösen. Während Thiller im Internet für die Visa nach turkmenischen Reisebüros sucht und mit Latif Travel telefoniert, mache ich mich auf die Suche nach Campingstühlen. Zudem finde ich eine Wanderkarte des Olymps, die uns morgen gute Dienste leisten wird und wir kaufen ein Schulheft, in dem wir ab sofort unsere Reise in Form eines Tagebuches dokumentieren wollen. Über Paralia schreibt Thiller beispielsweise: «...elend aufgeblasenes Touristenkaff, bei 35°C verkaufen sie doch überall Pelzmäntel!».

Nach einem ersten vergeblichen Faxversuch an das turkmenische Reisebüro fahren wir nach Katerini, dem nächstgrösseren Ort, und schauen uns die Gegend an. Den Abend verbringen wir mit Schwimmen (ohne Quallen), Strandbar, Gyros-Fast-Food und Retsina.

Ich starte erstmals unseren Benzinkocher und koche Tee für morgen. Dass ich eine Prise Salz rein gebe, was ich bei Bergtouren öfters mache, irritiert Thiller erst, der Tee wird ihm dann aber doch schmecken. Wir versuchen früh zu schlafen, was wegen dem höllischen Discolärm nicht so recht gelingt.

30Juni
2001

Όλυμπος

Der Olymp: tönt nach Touristenhügel mit Seilbahn, was aber definitiv nicht der Fall ist. Der Hauptgipfel liegt immerhin auf 2918 Meter; das sind knapp zweitausend Höhenmeter Auf- und Abstieg. Zwar hätte es unterwegs drei Hütten mit Übernachtungsmöglichkeit, wir wollen das aber an einem Tag machen.

Um fünf Uhr weckt mich Thiller und behauptet, ich hätte verschlafen. Er habe schon geduscht, gepackt und sei startklar. Wir fahren zum Ausgangsort auf rund 1000 Meter. Da Thiller seinen Tagesrucksack im Zelt vergessen hat, müht er sich mit seinem 90 Liter-Kofferrucksack ab. Dafür hat eine grob geschätzt zehnkilönige Wassermelone gut darin Platz.

Um halb sieben marschieren wir los, erst durch bewaldetes Gebiet bis zur Refuge A auf 2100 Meter, wo wir uns ein Znüni gönnen. Dann wird’s deutlich alpiner und leider auch nebliger. 150 Meter unterhalb des Gipfels gibt es noch eine kurze geographische Diskussion, bei der ich mich zum Glück durchsetze, wodurch wir auf direktem Weg zum Gipfel Mytikas finden.

Leider sind uns die griechischen Götter nicht gut gesinnt und die erhoffte tolle Aussicht endet an der nächsten Nebelwand. Trotzdem geniessen wir die verdiente Melone und nach einem Gipfelschnupf machen wir uns an den Abstieg. Beim erneuten Rast in der Hütte werden wir getröstet, dass dies garantiert der einzige Nebeltag zwischen Juni und September gewesen sei. Danke!

Gipfel-Selfie auf dem Olymp

Den Rest des Abstieges diskutieren wir darüber, ob es gewichtstechnisch besser sei, eine leere PET-Flasche auf dem Gipfel flachzudrücken oder nicht und wie sich das Gewicht beim Abstieg verändert. Zum Glück haben wir keine anderen Probleme…